Außenwirtschaft: Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Außenwirtschaft: Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
 
Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist neben Geldwertstabilität (Preisniveaustabilität), Vollbeschäftigung (hoher Beschäftigungsstand) sowie angemessenem und stetigem Wirtschaftswachstum eines der gesamtwirtschaftlichen Ziele. Diese sind als Magisches Viereck der deutschen Wirtschaftspolitik, das in §1 des Stabilitätsgesetzes definiert ist, formuliert. Ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht liegt dann vor, wenn sich die Zahlungsbilanz bei konstanten Wechselkursen im Gleichgewicht befindet.
 
 Verschiedene Definitionen
 
Da die Zahlungsbilanz, die ja eine statistische Übersicht ist, per definitionem immer ausgeglichen ist, meint man einzelne Teilbilanzen, die ausgeglichen sein sollen, wenn man von außenwirtschaftlichem Gleichgewicht spricht. Hierbei gibt es zwei unterschiedliche Definitionen. Die eine zielt auf eine ausgeglichene Devisenbilanz ab, das heißt, die Höhe der Währungsreserven muss unverändert sein. Die zweite betrachtet die Veränderung des Vermögens anhand der Leistungsbilanz. Ist die jeweils betrachtete Teilbilanz der Zahlungsbilanz im Gleichgewicht, liegt ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht vor. Eine ausgeglichene Leistungsbilanz bedeutet allerdings nicht, dass keine Überschüsse oder Defizite in den Handels-, Dienstleistungs- und Devisenbilanzen vorhanden sind.
 
Sinn des außenwirtschaftlichen Gleichgewichtsziels ist, dass das Inland nicht auf Dauer eine Verschuldung gegenüber dem Ausland eingeht und damit langfristig über seine eigenen Verhältnisse lebt. Bei einem lang anhaltenden Leistungsbilanzdefizit kann ein Finanzierungsproblem entstehen: Vorübergehend können zwar die Devisenreserven abgebaut werden, auf Dauer muss es jedoch zu einem Ausgleich über den Außenhandel, also über gesteigerte Exporte oder geringere Importe, kommen. Im Falle von anhaltenden außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten kann ein Land bezüglich seiner binnenwirtschaftlichen Entwicklung sowie seiner nationalen Wirtschaftspolitik unerwünschten Auslandseinflüssen ausgesetzt sein. Länder tendieren deshalb häufig dazu, sich außenwirtschaftlich zumindest zu einem gewissen Grad abzusichern. Deutschland hat traditionell hohe Defizite in der Dienstleistungsbilanz und in der Übertragungsbilanz, die verursacht sind einerseits durch den Reiseverkehr und andererseits durch Zahlungen an die EU, Entwicklungshilfezahlungen sowie Heimatüberweisungen ausländischer Arbeitnehmer. Um diese Defizite auszugleichen, müssen die deutschen Leistungen an das Ausland die vom Ausland an das Inland übersteigen, also muss vor allem ein Überschuss in der Handelsbilanz erreicht werden. Zu hohe Exportüberschüsse sind jedoch ebenfalls unerwünscht, da sie bei hohen Devisenzuflüssen die Gefahr von Aufwertungen mit negativen Konsequenzen für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung bergen.
 
 Ausgleich der Zahlungsbilanz
 
Bei einer freien Marktpreisbildung ist die Devisenbilanz durch die von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt bestimmte Höhe des Wechselkurses automatisch ausgeglichen. In einem System flexibler Wechselkurse findet eine solche Wechselkursanpassung durch die Marktreaktionen statt. Übersteigt die Nachfrage nach Devisen das Angebot an ausländischen Währungen, kommt es zu einer Aufwertung. Damit führt der Marktmechanismus über Auf- und Abwertungen immer zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt. Problematisch ist dieser Ausgleich nur in Ländern mit fixen Wechselkursen. Hier muss der Ausgleich der Leistungsbilanz unter anderem durch Interventionen oder Kapitalverkehrskontrollen, also z. B. mithilfe einer Devisenbewirtschaftung, künstlich hergestellt und gesichert werden. Im Fall fundamentaler Ungleichgewichte auf dem Markt ist die letztmögliche Maßnahme in einem solchen System schließlich auch die diskretionäre Änderung des Wechselkurses.
 
 Wirkung der Wechselkursänderung auf den Ausgleich der Zahlungsbilanz
 
Im Normalfall tritt mit einer Abwertung eine Verbesserung der Handelsbilanz ein, da die Exportgüter durch ihre Verbilligung im Ausland stärker nachgefragt werden. Eine Abwertung wirkt jedoch nicht nur auf die Preise, sondern auch auf die Mengen. Es kann daher sein, dass durch die Mengenänderung der Gesamtwert der Exporte (Exportwert) abnimmt bzw. der Gesamtwert der Importe (Importwert) stärker steigt als der Exportwert. Dies wäre eine anomale Reaktion der Leistungsbilanz, das heißt eine Verschlechterung der Leistungsbilanz im Zuge der Abwertung. Grund hierfür ist, dass die Abwertung einer Währung einerseits die Exporttätigkeit und andererseits die Importtätigkeit beeinflusst. Wird kurzfristig die Nachfrage nach den teurer gewordenen Importgütern aufrechterhalten, kommt es zuerst zu einer Verschlechterung der Handelsbilanz. Können die teurer gewordenen Importgüter mittelfristig durch inländische Güter ersetzt werden, verbessert sich die Handelsbilanz wie von der Abwertung gewünscht. Dieser Anpassungspfad verläuft ähnlich einer J-Kurve und wird als J-Kurven-Effekt bezeichnet.

Universal-Lexikon. 2012.

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